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Ancestors: The Humankind Odyssey

Adventure

Zusammenfassung: Acht Millionen Jahre Menschheitsgeschichte, verpackt in ein riesiges Survival-Abenteuer, in dem wir einen Affenstamm auf seinem Weg zum Urmenschen begleiten – was für eine großartige Idee! Doch dem Action-Adventure, an dem auch der Game Director von Assassin's Creed beteiligt war, geht im Test viel zu schnell die Puste aus: Ancestors steckt voller Ambitionen und Atmosphäre, spielt sich aber über weite Strecken mühsam und erschreckend eintönig.Update: Jetzt mit Video-Review!

Inhaltsverzeichnis

Mühsamer Anfang

Ancestors erzählt keine Story und kennt auch kein striktes Ziel. Es geht schlichtweg darum, seinen Primatenstamm über Millionen von Jahren hinweg zu begleiten und dabei möglichst schneller in der Geschichte voranzuschreiten, als es unsere rea­len Vorfahren taten. Das alles kann einem zu Beginn aber noch völlig schnuppe sein, denn da hat man ganz andere Sorgen: Wir starten das Third-Person-Abenteuer mit einem kleinen Stamm, es gibt ein paar Kinder, Erwachsene und Greise. Einen der Primaten steuern wir, den Rest der Gruppe kontrolliert derweil die KI, außerdem dürfen wir jederzeit zwischen den Figuren hin und her wechseln. Und nun beginnen wir … ja, womit überhaupt? Ancestors verrät so gut wie nichts darüber, was wir können und was nicht, das sollen wir bitte schön selbst herausfinden.

Deshalb verbringen wir die erste Stunde vor allem damit, die Dschungelumgebung genau zu untersuchen. Dazu gibt es eine Analyse-Funktion, die wichtige Objekte hervorhebt und mit Symbolen markiert. Auch ­Gerüche und Geräusche lassen sich so herausfiltern. Eine schöne Idee, die sich aber schnell abnutzt: Die Flut an Symbolen abzuklappern macht keinen Spaß und kostet vor allem anfangs viel zu viel Zeit. Immerhin: Später, wenn sich der Stamm weiterentwickelt hat, lässt sich der Prozess beschleunigen.

Und schleppend geht es weiter

Hat man die Umgebung studiert, geht es ans Experimentieren: Wasser, das lernen wir schnell, lässt sich trinken, so stillt man seinen Durst – eines von drei Grundbedürfnissen ist damit gedeckt, die anderen sind Hunger und Schlaf. Komplizierter wird es bei so wunderlichen Dingen wie Steinen oder Hölzern: Diese lassen sich aufheben, von einer Hand in die andere wuppen oder miteinander kombinieren. Äste funktioniert man beispielsweise in einem simplen Minispiel zu Stöcken um, ein akustisches Signal hilft uns dabei, die Taste im richtigen Moment zu drücken oder loszulassen. Bearbeiten wir den Stock danach mit einem Stein, entsteht ein Speer, unsere wichtigste Waffe. Noch schneller ginge das übrigens mit einem Keil, den man aber nur erhält, wenn man zwei Obsidiane aufeinander schlägt. Und so geht es immer weiter: Mit spitzen Stöcken lassen sich Fische angeln, Tiere jagen oder in Löchern nach Nahrung bohren. Blätter von Schachtelhalmen können wir abzupfen, um damit blutende Wunden zu verarzten. Andere Gewächse heilen dagegen Vergiftungen oder sogar Knochenbrüche in Windes­eile – da nimmt es das Spiel mit der Glaubwürdigkeit eben nicht so genau.

Dieses ständige Experimentieren und Entdecken macht Laune und weckt hohe Erwartungen – bis man schließlich ernüchtert feststellen muss, dass es weit weniger zu tun gibt, als einen das Spiel anfangs glauben lässt. Das Bauen beschränkt sich beispielsweise darauf, ein paar Blätter zu Schlafplätzen aufzuschichten oder Äste übereinander zu stapeln – das wird sofort langweilig. Auch an Materialien haben die Entwickler gespart, die geringe Auswahl an Werkzeugen hat man schnell durchprobiert. Außerdem kostet die überfrachtete Steuerung gelegentlich Nerven: Viele Tasten auf dem Gamepad sind mehrfach belegt und jede noch so kleine Aktion muss von Hand ausgeführt werden, vor allem das Crafting verkommt dadurch zur monotonen Fleißaufgabe, die viel Zeit verschlingt.

Kein freies Speichern

Während wir noch die Grundlagen austüfteln, leben unsere Affen bereits gefährlich: Verlässt man den Schutz des Lagers, landet man schnell auf der Speisekarte von Riesenschlangen, Urzeitlöwen, Hyänen, Krokodilen und so weiter. Die Viecher greifen oft unvermittelt an. Wer hier nicht weiß, wie man ausweicht oder das Tier in die Flucht schlägt, kassiert unbarmherzig Treffer, die zu schweren Verletzungen führen. Wer die Wunden nicht schleunigst behandelt, verliert den Primaten unwiederbringlich. Sind alle Stammesmitglieder hinüber, sieht man den Game-over-Bildschirm und muss komplett von vorne anfangen. Ancestors speichert nämlich nur automatisch, manuelle Spielstände dürfen wir nicht anlegen. Selbst Checkpoints oder erreichte Zeitalter lassen sich leider nicht gezielt laden. Das wirkt angesichts der hohen Einstiegshürde regelrecht unfair. Denn bis man weiß, wie man einen Stamm am Leben erhält und weiterentwickelt, sind mehrere Neustarts praktisch vorprogrammiert.

Tapfer im Angesicht des Feindes

Kleiner Tipp: Um den Frust in Grenzen zu halten, sollte man sich zu Beginn vor allem auf den Bäumen bewegen. Das kostet zwar Zeit, spart dafür aber Nerven. Als geschickter Affe können wir nämlich an fast jeder Oberfläche raufklettern und uns von Ast zu Ast schwingen. Das sieht cool aus und funktioniert mit etwas Übung erstaunlich gut, auch wenn die Kamera gelegentlich mal im Weg ist – ganz so intuitiv wie in einem Assassin's Creed ist man also nie unterwegs.

Es dauert eine Weile, bis wir endlich kapieren, wie simpel man die bissigen Wildräuber verscheuchen oder sogar töten kann: einfach eine Taste in einem Reaktionstest gedrückt halten, fertig! Ab diesem Punkt entzaubert sich die feindliche Tierwelt praktisch von selbst, da man fast jeden Angriff locker abwehrt. Dadurch trauen wir uns immer häufiger, auch mal von den Bäumen hinabzusteigen und uns freier in der prächtigen Urzeitwelt umzuschauen. Ganz wichtig dabei: Bloß nicht die Kinder vergessen!

Nachwuchs als Schlüssel zum Erfolg

Babys sind der Schlüssel zum Erfolg, denn nur wenn wir uns in ihrer Nähe aufhalten, verdienen wir kostbare Erfahrungspunkte. Und weil sie so wichtig sind, dürfen sich bis zu zwei Zwergäffchen in unserem Fell festkrallen. Pflege oder Nahrung brauchen die Kleinen zwar nicht, doch dafür fällt ihre Zeugung umso umständlicher aus. Wir müssen uns als Männchen oder Weibchen zunächst dem anderen Geschlecht nähern, ihm romantisch die Läuse aus dem Fell pulen und so ein Pärchen bilden. Anschließend gibt's noch ein kleines Schäferstündchen, die Kamera guckt derweil keusch in den Himmel, bis das Weibchen schwanger ist. Nun braucht's nur noch einen Tastendruck, eine (abbrechbare) Zwischensequenz – und schon hockt das neue Baby im Nest. So verfahren wir mit allen zeugungsfähigen Mitgliedern unseres Stammes, immer und immer wieder – eintönig und zeitaufwendig! Und sind mal nicht genügend paarungswillige Affen zur Hand, müssen wir uns in freier Wildbahn nach ihnen umsehen: Entdecken wir einen Primaten in Not, bringen wir ihm Heilpflanzen oder Nahrung, zum Dank schließt er sich unserem Volk an.

Und warum der ganze Paarungsstress? Weil wir die kostbaren Erfahrungspunkte, die man nur durch die Babys erhält, zwingend für die Entwicklung unseres Stammes brauchen! Erfahrung kommt in Form von Neuronenenergie zum Einsatz, die wir in einer Art Talentbaum verprassen. Hier schalten wir mit der Zeit Aberdutzende verzweigte Upgrades frei: schnelleres Klettern, aufrechter Gang, verbesserte Verdauung, geschärfte Sinne, effektiveres Kämpfen, rudimentäre Kommunikation und vieles mehr. Einige Upgrades erscheinen für sich genommen erst mal mickrig, doch in der Summe wirken sie sich deutlich auf das Spielgefühl aus – und das motiviert!

Nach einer Weile empfiehlt es sich außerdem, eine Generation zu überspringen, dabei sterben die Alten und die Kleinen rücken nach. Dadurch werden in den Nachkommen zufällige Mutationen freigeschaltet, die den Forschungsbaum erweitern und unseren Stamm im Laufe der Zeit noch geschickter und anpassungsfähiger machen. Das sorgt zwar für ein befriedigendes Fortschrittsgefühl, hat allerdings auch den unschönen Nebeneffekt, dass uns kein einziger unserer Primaten jemals richtig ans Herz wächst – schließlich wechselt man sie ohnehin ständig durch.

Stark nur in der Gemeinschaft

Auch wenn wir kein Wort von dem Gebrüll verstehen, das unsere Äffchen von sich geben, spielt Kommunikation eine wichtige Rolle. Mit etwas Übung und Geduld können wir unserem Stamm nämlich rudimentäre Kommandos beibringen, sodass sich die Affen beispielsweise selbst bewaffnen oder bei Angriffen automatisch verteidigen. Sind wir erst mal so gewappnet, können wir unsere Familie hinaus in die Wildnis führen, um neue Siedlungsplätze auszumachen, wo wir uns niederlassen, um zu rasten und die stockfinsteren Nächte zu überdauern, in denen man kaum die Hand vor Augen sieht. Beim Fami­lienausflug ist allerdings etwas Vorsicht angesagt: Die Wegfindungs-KI kommt nämlich nicht gut damit zurecht, wenn man allzu komplizierte Routen wählt, schlimmstenfalls laufen die Affen dann weite Umwege und marschieren schnurstracks ins nächstbeste Schlangennest. Also habt immer ein Auge auf eure Leute und reist am besten gleich bei Sonnenaufgang los, damit ihr eure nächste Raststätte noch vor Einbruch der Dunkelheit erreicht!

Nett: Eine Minimap oder Übersichtskarte gibt es nicht, ihr müsst euch anhand von Sehenswürdigkeiten (werden per Icon markiert) und der Levelgeometrie orientieren. Das wirkt anfangs fast unmöglich, klappt aber nach ein paar Stunden besser, als man denkt – wie so vieles in Ancestors.

Während wir tiefer in die offene Spielwelt vorstoßen, müssen wir auch gelegentlich Minispiele meistern, in denen unser Affe seine Angst vor dem Unbekannten überwinden soll. Das wirkt anfangs einschüchternd, obwohl der Prozess im Grunde furchtbar banal ist. Vermeiden lässt sich das Ganze auch nicht, denn um das Erkunden kommen wir schlichtweg nicht herum: Nur wer neue Orte entdeckt, neuen Tieren begegnet und neue Pflanzen anknabbert, kann mit der Zeit noch Erfahrungen sammeln, die uns bei der Stammesentwicklung weiterbringen.

Afrika gut in Szene gesetzt

Bei unseren Streifzügen bekommen wir auch stetig neue Facetten der prachtvollen Open World zu sehen: Das urzeitliche Afrika besteht nicht nur aus dichten Dschungeln und Wäldern, ihr seid auch in stimmungsvollen Sümpfen, Höhlen, Oasen und Savannen unterwegs. Natur pur! Alle Biome gehen fließend ineinander über und sorgen zusammen mit den hübschen Tag-und-Nacht-Wechseln für eine tolle Atmosphäre, die von einer starken Klangkulisse und unaufdringlicher Musik untermalt wird. Da verzeihen wir auch gern die angestaubte Technik, die sich vor allem bei den durchschnittlichen Texturen und Animationen bemerkbar macht, die hier und da etwas hölzern ausfallen.

Sprünge durch die Geschichte

Egal ob wir zum fünften Mal Kräuter mit einem Stein zermalen, ein Nilpferd einschüchtern oder eine Wunde versorgen: Die allermeisten Aktionen und Erfolge werden im Spiel fein säuberlich dokumentiert. Denn sie alle wirken sich auf unseren Gesamtfortschritt aus, den man sich in einem Evolutionsmenü samt Zeitstrahl ansehen kann. Hier dürfen wir auch einen größeren Zeitsprung auslösen, dann erhalten wir für alle Errungenschaften kostbare Jahre gutgeschrieben, die uns in der Weltgeschichte voranschreiten lassen. Nach ein paar Millionen Jahren verwandelt sich unsere Primaten­spezies dann sogar in neue Formen des Frühmenschen, was nicht nur ihr Äußeres leicht verändert, sondern auch neue Entwicklungen im Forschungsbaum ermöglicht.

Nach so einem riesigen Zeitsprung kehren wir zu unserem alten Stamm zurück – diesmal allerdings an einem völlig anderen Ort in der Spielwelt, den wir zufällig aufgedeckt haben. Dreimal verfrachtete uns Ancestors sogar in unser Startgebiet zurück, was für ein Spiel, in dem es um langwieriges Erkunden und Entdecken geht, einem Witz gleichkommt. Es ist nur eine von vielen Macken, die dafür sorgen, dass der mühsam erkämpfte Spielfluss immer wieder zum Erliegen kommt.

Zumal es einem der Alltag wirklich nicht leicht macht: Egal ob man eine Generation oder gleich ein paar Jahrtausende überspringt, es warten danach stets die gleichen ermüdenden Aufgaben. Schlafen, essen, bumsen, basteln – so verbringt man viele, viele Stunden in Ancestors. Wie lange man braucht, bis man auf diese Weise irgendwann am Ende angelangt ist, wissen wir auch nicht – wir haben den Test nach rund 25 Stunden (inklusive dreier Neustarts) und der Hälfte der erreichbaren Erfolge beendet, da das Spiel zu diesem Zeitpunkt nur noch auf der Stelle trat. Es fehlt an Abwechslung, Zielen und spielerischer Vielfalt – denn wäre das Leben unserer Vorfahren tatsächlich so eintönig gewesen, wären sie vermutlich einfach auf den Bäumen geblieben.

Fazit

Ancestors ist ein Erlebnis, wenn auch leider kein übermäßig gutes. Die Idee hinter dem Spiel kann man nicht genug loben. Und ich finde es toll, wie konsequent die Entwickler in manchen ihrer Entscheidungen geblieben sind, auch wenn einige davon wirklich fragwürdig sind. Dass man dem Spieler kaum etwas erklärt, weil er – wie seine Vorfahren – möglichst viel selbst rausfinden soll, kann ich ja nachvollziehen. Trotzdem fällt die Einstiegshürde hoch aus, die Kombination aus eingeschränkter Speicherfunktion und Permadeath bremst zu Beginn unnötig aus, zumal man sich an den furchtbar eintönigen täglichen Routinen (schlafen, essen, zeugen, usw…) schnell satt gesehen hat. Auf den ersten Blick wirkt Ancestors fast einschüchternd und komplex – nach ein paar Stunden merkt man aber enttäuscht, dass viel weniger dahinter steckt, als einem die Entwickler glauben machen wollen. Ancestors ist ein stimmungsvolles Experiment, aber es ist leider kein gutes Spiel.

Ancestors: The Humankind Odyssey

7.3

Spielbarkeit

7.0/10

Design

8.5/10

Anspruch

7.5/10

Spielspaß

7.5/10

Preis

6.0/10

Pro

  • Fantastische Grundidee
  • Stimmungsvolles urzeitliches Afrika
  • Glaubwürdige Darstellung der Menschenaffen
  • Klasse Soundkulisse
  • Hübsche Tag- und Nachtwechsel

Contra

  • Hohe Einstiegshürde
  • Unglaublich eintönig
  • Kein freies Speichern oder Checkpoints, die man nachträglich laden könnte
  • Spielerisch wird‘s zu schnell banal
  • Leicht überfrachtete Steuerung
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