Dead or Alive 6 im Test

Dead or Alive 6

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Zusammenfassung: Einsteigerfreundlich und doch komplex: Der sechste Teil der Beat-'em-Up-Serie Dead or Alive wagt einen schwierigen Spagat – und führt gleichzeitig einen Kampf gegen seinen schlüpfrigen Ruf.

Inhaltsverzeichnis

Verteidigung ist der beste Angriff

Zwei Kämpfer kloppen sich, bis einer umfällt. Auf dem Papier mag das einfach klingen, doch ein Prügelspiel zu entwickeln ist eine echte Mammutaufgabe. Würfe, Schläge, Tritte unterschiedlichster Kampfstile, ausgeführt von Charakteren mit individuellen Körpereigenschaften – es gibt viele bewegliche Zahnräder im großen Balancing-Uhrwerk. Nuancen unterscheiden zwischen einem guten und einem sehr guten Beat 'em Up. Das gilt vor allem für die Verteidigung: Wird der Spieler von Schlagfolgen überrannt und hat wenig Möglichkeiten zu blocken, kann das sehr frustrierend werden. Das japanische Traditionsstudio Team Ninja wirkt diesem Problem in Dead or Alive 6 mit einem ausgefuchsten Verteidigungssystem entgegen: Führt ihr den richtigen Block zur richtigen Zeit aus, könnt ihr absolut jeden Angriff des Gegners abwenden. Damit wirken vor allem Kombo-Ketten nicht unaufhaltsam. Nach jeder erfolgreichen Verteidigung steht der Widersacher zudem entweder mit dem Rücken zu euch oder liegt auf dem Boden. So ergeben sich neue Zeitfenster für Angriffe. Deshalb ist jede offensive Aktion in DoA6 mit einem Risiko verbunden: Je höher der potenzielle Schaden eines Manövers, desto mehr Gelegenheit hat das Gegenüber, zurückzuschlagen.

Dead or Alive 6 - PC Games

Dead or Alive 6 ist das einzige Prügelspiel, bei dem Angriff und Verteidigung auf gleicher Stufe stehen. Das Obwohl die Charakterauswahl besonders im Vergleich zur Genrekonkurrenz umfangreich genug und abwechslungsreich ist, vermissen wir trotzdem ein paar alte Bekannte.  Das akzentuieren vor allem die neuen Bruch-Manöver: Unterhalb der Lebensanzeige gibt es einen weiteren Balken, der sich vor vorwiegend durch eingesteckte Treffer füllt. Je nachdem, wie voll sie geladen ist, lassen sich eine Reihe von offensiven und defensiven Aktionen ausführen, die besonders effektiv sind. Bruchschläge richten verheerenden Schaden an, während Bruchgriffe wiederum starke Konter sind. Spieler, die am Anfang eines Matches viel eingesteckt haben, erhalten damit eine Trumpfkarte, mit der sie einen schon verloren geglaubten Kampf doch noch für sich entscheiden können.

Gelungener Drahtseilakt

Balance ist eine große Stärke des Spiels. Und das, obwohl hier völlig unterschiedliche Kampfstile und Gewichtsklassen aufeinanderprallen. Jeder der 24 Charaktere der Basisversion steigt mit eigenen Techniken und Eigenschaften in den Ring. Die Wrestler Tina und Bass etwa sind nicht nur Tochter und Vater, sondern agieren vorwiegend mit Moves aus ihren Schaukämpfen. Ihre Bewegungen sind langsamer und ausholender, weil sie einen Unterhaltungswert für das Publikum bieten sollen. Aus einer ähnlichen Ecke kommt Lisa, die im kunstvollen Kostüm einen mexikanischen Wrestling-Stil namens Lucha Libre ausführt. Das bedeutet übersetzt "freier Kampf" und wird von sogenannten Luchadoras praktiziert, die traditionell sehr beweglich sind. Lisa ist daher flink, mischt ihre Bewegungen aber zugleich mit viel Tanz.

Weniger agil wirkt indes der Soldat Bayman, der dafür mit Kraft punkten kann. Wenn seine Fäuste treffen, verursachen sie großen Schaden. Ihm gegenüber steht Ayane, die als Shinobi eher hinterhältige Angriffe ausführt. Mit einer pfeilschnellen Körperbewegung kann sie sich um ihre Gegner herumbewegen und schnelle Schläge landen. Dafür ist sie nicht so stark wie andere Kämpfer.

Trotz dieser Abwechslung kann prinzipiell jeder Charakter den anderen besiegen, es gibt keine unfairen Vorteile. Allem liegt ein Schere-Stein-Papier-Prinzip zugrunde: Schlag besiegt Wurf, Wurf besiegt Konter, Konter besiegt Schlag. Zudem spielt die tatsächliche Muskelmasse bei Juggle-Angriffen eine Rolle. Das sind Schlagabfolgen, die den Gegner in der Luft halten und für kurze Zeit bewegungsunfähig machen. Bei dicken Brocken wie Bass ist das schwerer als bei Leichtgewichten. Seine Behäbigkeit wird in diesem Punkt zum Vorteil für ihn.

Kämüferinnen bei Dead or Alive 6

Die Kampfstile sind aber nicht nur spielerisch interessant, sondern spiegeln auch die Persönlichkeit der Kämpfer wider. Der aus früheren Teilen der Dead-or-Alive-Serie bekannte "Drunken Boxer" Brad wirbelt besoffen umher und kann sich kaum auf den Beinen halten, er wirkt chaotisch und unkoordiniert. Ganz anders Femme Fatale Christie, eine britische Attentäterin: Sie ist hochnäsig, eingebildet und schaut auf andere herab. Ihre Bewegungen und Körperhaltung wirken deshalb abfällig. Da passt es, dass sie She Quan beherrscht – eine Kampftechnik, bei der die Hände wie bei einer (falschen) Schlange gehalten werden.

Falscher erster Eindruck

Dead or Alive 6 ist also ausgezeichnet ausbalanciert und komplex. Diese Tatsache wird nur auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich, weil die Angriffe so imposant aussehen. Wucht ist das passende Stichwort: Funken sprühen, wenn Charaktere gegen Elektrozäune fliegen. Wände zerbersten, Fässer mit Schießpulver explodieren, Autos zerschellen. Jeder Schlag, jeder Tritt wird mit einem überdrehten, saftigen Punch-Sound unterlegt. Speichel- oder Bluttropfen begleiten das Ganze und kommen besonders bei Nahaufnahmen zur Geltung. Das hat wenig mit der Realität zu tun und ist maßlos übertrieben und verrückt. Aber verdammt unterhaltsam!

Die einfallsreichen Arenen tragen ebenfalls zum Spielspaß bei: In einer geht es auf ein gestrandetes Piratenschiff, wo im Hintergrund ein Krake wütet. Befördert ihr einen Kontrahenten über die Reling, langt das Tier mit einem Tentakel zu und schleudert ihn in den Innenraum des Schiffes. Dort geht der Kampf dann nahtlos weiter. Noch nicht verrückt genug? Eine andere Stage ist dem Film Jurassic Park nachempfunden: Wird jemand gegen eines der überdimensionalen Eier geschleudert, bricht dieses auf und ein Flugsaurier schlüpft heraus. Das findet die Mutter des prähistorischen Nachwuchses gar nicht lustig. Also packt sie kreischend den Störenfried und lässt ihn aus großer Höhe fallen.

Nicht alle, aber viele Arenen haben solche Gefahrenzonen, die sich auf Wunsch vor einem Kampf aber auch deaktivieren lassen. Schließlich sind sie spielerisch von Gewicht und können taktisch eingebunden werden. Ein Highlight ist die Stage "Unforgettable", eine Art Museum aus früheren Umgebungen der Kampfspielserie. Sie vereint gleich mehrere, völlig unterschiedliche Arenen in nur einem einzigen Areal, die bloß mit einem überwindbaren Geländer voneinander getrennt sind. Je nach Länge des Matches kann man sich dann schon mal von einem Kriegsgebiet über eine Kneipe bis hin zu einem Spielcasino prügeln. Ein großer Spaß!

Kampfszene bei Dead or Alive 6

Im Vergleich zu anderen Prügelspielen hat Dead or Alive 6 eine eigene, aber auch gewöhnungsbedürftige Ästhetik. Das gilt zum Beispiel für die Bewegungen der Charaktere: Die Animationen wirken nicht realistisch, weil sie sich den Eingaben des Spielers unterordnen, nicht umgekehrt. DJ Zack kann zum Beispiel mit seinen Füßen schnelle Tritte ausführen, die er in der gleichen Frequenz austeilt, mit der man die entsprechende Taste drückt. Beim bloßen Zuschauen wirken die Kämpfe daher manchmal "hampelig", aber das macht absolut Sinn, sobald man selbst den Controller in Händen hält. Andere Genrekollegen haben schönere Choreografien. Sie zwingen ihre Spieler aber auch, die Animationen bis zum Schluss laufen zu lassen, bevor neue Eingaben möglich sind. Bei Dead or Alive 6 sind diese Lücken in der Kontrolle minimal: Alles ist direkt und fließend, erzeugt damit aber auch eine Art klassische Videospielästhetik, die man eher aus Arcades kennt. Das steht im Kontrast zu cinematisch aussehenden Kloppern wie zum Beispiel Injustice 2, die aber deshalb nicht das gleiche, gute Trefferfeedback haben.

Training ist das A und O

Wie jede neue Version bekannter Prügelspielserien muss sich auch Dead or Alive 6 einer wichtigen Frage stellen: Wie macht man ein komplexes Kampfsystem möglichst zugänglich? Je höher die Einstiegshürde, desto weniger wird sich die Masse dafür begeistern. Um aus der Nische herauszukommen, haben Studios von größeren Serien in den letzten Jahren den sogenannten "Skill Gap" reduziert. Street Fighter 5, Tekken 7 oder Soul Calibur 6 besitzen zwar Tiefe, aber sie haben Zugeständnisse gemacht. Schließlich soll ein breites Publikum angesprochen werden, statt nur Fingerakrobaten auf E-Sport-Turnieren. Die meisten Standardklamotten zeigen nicht viel Haut. Weitere Kostüme schaltet ihr im Laufe des Spiels frei.

Team Ninja hat mit Dead or Alive eine der ohnehin schon zugänglichsten Prügelspielserien auf dem Markt geschaffen, diesmal aber zusätzlich einen vorbildlichen Trainingsmodus implementiert. In 40 äußerst verständlich geschriebenen Lektionen bekommt ihr anschaulich jedes Detail der Spielmechanik erklärt. Jedes Kapitel ist in der Höhe des Anspruchs unterteilt und lediglich eine, vielleicht zwei Minuten lang. So könnt ihr euch den "Lehrgang" selbst nach Belieben einteilen.

Einen freien Trainingsmodus gibt es selbstverständlich auch – hier wird jede Eingabe auf dem Bildschirm angezeigt. Bemerkenswert: Bei jeder noch so kleinen Aktion schlüsselt eine Statistik die Daten für benötigte Frames (Einzelbilder) auf. Für einen Schlag muss ein Charakter zum Beispiel erst einmal ausholen, dann muss er treffen, und danach geht es in die normale Körperhaltung zurück. Diese drei Phasen kosten Zeit, die aufgrund der Kürze in Frames aufgeschlüsselt sind. Für Einsteiger mag das erst einmal unwesentlich sein, aber gerade für ambitionierte Spieler liefern die Macher wertvolle Informationen. Die sogenannte "Frame Data" wird bei so gut wie keinem anderen Prügelspiel so haargenau aufgeschlüsselt.

Spiele Review - Dead or Alive 6

Modi und Story

Bei der Auswahl der Spielmodi lässt Dead or Alive 6 leider Wünsche offen: Es gibt einen klassischen Arcade-Modus sowie einen Multiplayer, der lokal und online funktioniert. Letzterer lässt Online-Gegner nach drahtloser und kabelgebundener Verbindung filtern. Wer lieber etwas länger wartet, dafür aber ein Lag-freies Spiel bekommen möchte, ist mit dieser Option gut bedient. Es fehlt allerdings eine Online-Lobby. Man kann also noch nicht gezielt mit Freunden online spielen, sondern nur in einer Rangliste gegen internationale Konkurrenz antreten. Dieses Feature wollen die Macher aber zukünftig nachreichen. Ebenso werden Fans der Vorgänger schmerzlich den ersatzlos gestrichenen Tag-Modus vermissen, in dem Zweier-Teams in die Arena gestiegen sind.

Dead or Alive 6 hat auch einen Singleplayer-Modus an Bord, dieser ist jedoch lediglich drei Stunden lang und aus dramaturgischer Sicht völlig konfus. Die Geschichte handelt von Schulmädchen mit übermenschlichen Kräften, geheimen Experimenten von noch geheimeren Organisationen, Rachegeschichten mit Ninjas und … ach, eigentlich kann man das gar nicht so genau sagen. Es ist eine irrsinnige Mischung aus Anime-Klischees und völlig absurden Situationen. Sicher für den einen oder anderen Spieler unterhaltsam, aber bei langem nicht so launig erzählt wie zum Beispiel bei Mortal Kombat X. Darüber hinaus gibt es noch die DOA-Quest, die im Grunde aus einer langen Aufgabenliste besteht. Man muss bestimmte Bedingungen in einem Match erfüllen, zum Beispiel eine bestimmte Schlagfolge absolvieren. Nett, aber im Grunde eher eine Erweiterung des Trainingsmodus.

Spielberichte - Dead or Alive 6

Schwieriger Spagat

Die Stärke von Dead or Alive 6 liegt klar auf dem Gameplay, vor allem im Duell gegen menschliche Spieler. In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Fighting-Community die Komplexität allerdings nicht flächendeckend anerkennen. Der Grund: die Übersexualisierung der Kämpfer. Als die Serie startete, war sie verantwortlich für einige Innovationen im Genre, wie etwa die besagten Gefahrenzonen. Im Laufe der Jahre hat Team Ninja aber verstärkt auf den Sexappeal seiner Kämpfer gesetzt. Kraftprotz-Charakteren wie Zack oder Bayman tropft bei praller Sonne der Schweiß über das pralle Sixpack. Die beinahe puppenhaft wirkenden, weiblichen Figuren haben sogar mehrere Spin-offs erhalten, in denen sie sich im Bikini am Strand räkeln. Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden, aber die Fanbasis hat sich dadurch gewandelt: Viele Beat-­'em-Up-Enthusiasten wandten sich der Konkurrenz zu, weil sie sich mit der Marke nicht mehr identifizieren konnten. In der öffentlichen Wahrnehmung haftet Dead or Alive bis heute ein verruchter Ruf an, der dem ursprünglichen Director Tomonobu Itagaki zu verdanken ist.

Dafür gibt es aber eine einfache Lösung: Wer keine wippenden Oberweiten bei den Kämpferinnen sehen möchte, kann diese in den Optionen einfach ausschalten. Und bei den Kostümen reicht die Palette geschlechterübergreifend von bedeckt bis freizügig. Spieler, die sich daran stören, aber das durchdachte Gameplay des Spiels genießen möchten, kommt Team Ninja mit diesen Option­en somit entgegen.

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